Dekanat Rheingau-Taunus

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„Pulverfass“ und biblisches Kleinod Armenien

Zwischen Jahrtausendalter Geschichte und politischer Unsicherheit

(c) DekanatKloster Chor Virap mit Blick auf den geschlossenen GrenzstreifenKloster Chor Virap mit Blick auf den geschlossenen Grenzstreifen

Eine Reisegruppe aus dem Evangelischen Dekanat Rheingau-Taunus hat Armenien, eine Region im Kaukasus, auf einer Studienreise besucht. „Armenien hat etwa im Jahr 302 n.Chr. als erstes Land das Christentum angenommen, also noch vor Kaiser Konstantin“, erklärt Ökumenepfarrerin Heike Beck, die zusammen mit Bildungspfarrer Jürgen Schweitzer die Studienreise organisiert hatte. 94 Prozent der armenischen Bevölkerung gehören der Armenisch-Apostolischen Kirche an. Aber auch die politisch angespannte Situation erlebten die Teilnehmenden hautnah mit.

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Abendmahl, mit Blick auf den Berg Ararat Kloster Chor Virap mit Blick auf den geschlossenen Grenzstreifen
(c) DekanatAbendmahl, mit Blick auf den Berg AraratAbendmahl, mit Blick auf den Berg Ararat

So besuchte die Gruppe auch das Genozid-Mahnmal, das an den Tod von 1,5 Millionen Menschen erinnert sowie  Besuchte Klöster die an der geschlossenen Grenze zur Türkei liegen oder erfuhr von Korruption und vergeblichen Friedensbemühungen und war zugleich fasziniert von der atemberaubenden Landschaft.

In nur sechs Tagen reiste die Gruppe von der Hauptstadt Jerewan, „einer modernen Großstadt mit sowjetischem Charme“ nach Norden zum Kloster Akthala nahe der Georgischen Grenze, weiter zum Sewansee im Osten des Landes unweit der Grenze zu Aserbaidschan, bis in den Süden bis zum Kloster Tatev.

Berg der Arche Noah – die Idylle trügt

Vom Kloster Chor Virap hatte die Gruppe einen Blick auf den kleinen und großen Ararat, den Berg, wo nach Überlieferungen im Alten Testament, die Arche Noah strandete. „Aber die Idylle trügt“, verrät Jürgen Schweitzer. „Das Kloster liegt fast genau an der Grenze zur Türkei, die dauerhaft geschlossen bleibt. Jenseits der Grenze hat die türkische Regierung in einem Dorf Aserbaidschaner angesiedelt.“ Die politisch brisante Situation sei ständig zu spüren gewesen, so die Teilnehmenden. So lebt die Bevölkerung in ständiger Sorge angesichts der Bedrohung vor allem durch das Nachbarland Aserbaidschan, „das im vergangenen Jahr über 100.000 Menschen aus der Region Berg-Karabach vertrieben hat und zu fürchten ist, dass auch dort wie bereits in der Exklave Nachitschewan architektonische Zeugnisse des armenischen Erbes zerstört werden“, erläutert Heike Beck.

Mahnmal erinnert an Genozid mit 1,5 Millionen Opfern

Bedrückend war auch der Besuch des Genozid-Mahnmals, das an die Opfer des Genozides im Jahr 1915 mit 1,5 Millionen Toten erinnert. „Das war ein beeindruckender Ort, der uns alle hat still werden lassen“, so eine Teilnehmerin. Das Mahnmal erinnert an die systematische Vernichtung des armenischen Volkes im osmanischen Reich, zu der auch deutsche Militärs beigetragen haben. „Der Genozid lastet noch auf den Menschen, es gibt keine Familie, die nicht Angehörige dadurch verloren hat“, erklärte der armenische Reiseleiter. Die Bundesrepublik Deutschland erkannte erst 2016 die Taten als Genozid an, zusammen mit nur 30 Ländern der Welt. „Die türkische Regierung leugnet den Genozid bis heute“, so Schweitzer.

Schwierige Friedensbemühungen und Korruption

Armenien setzt sich für Frieden mit Aserbaidschan ein, erklären Beck und Schweitzer. Aserbaidschan fordere allerdings als Bedingung für ein Friedensabkommen weitreichende Verfassungsänderungen in Armenien. „Auf unserer Studienreise erfuhren wir viel über korrupte Wirtschaftsmenschen und Politiker, sowie Bedrohungen durch die Nachbarländer, vor allem Aserbaidschan“, konstatierte Heike Beck. Man hörte viel über geschlossene Grenzen - nach Aserbaidschan und die Türkei - sowie von weitreichenden Gebietsansprüchen durch Aserbaidschan. Die Gruppe erlebte diesen Konflikt hautnah, etwa in dem sie durch Straßen fuhren, die als mögliche „Korridore“ zu Aserbaidschans Exklave Nachitschewan von großer strategischer Bedeutung sind. „Wir sahen Fahrzeuge der EU, die auf einer speziellen Mission ständig patrouillieren um nach dem Konflikt in Berg-Karabach Stabilität sicherzustellen bzw. den Waffenstillstand zu gewährleisten. Es war schon etwas bedrohlich zu sehen, weil der Konflikt, den man heute mit dem bloßen Auge nicht erkennt, dadurch sichtbar wird“, berichtete Ökumenepfarrerin Heike Beck.

Kirche garantiert Zusammenhalt im Volk

Trotz des herausfordernden Programms konnte man hin und wieder auch die Ruhe in den Klöstern genießen. In einem Kloster singt eine junge Frau mit traditionellem weißem Spitzentuch auf dem Kopf einen Psalm. „Außer Psalmen darf dort nicht gesungen werden“, so Beck. „Wir haben verzaubert zugehört.“

Auch Besuche mit Vertretern der unterschiedlichen Konfessionen standen auf dem Programm: Etwa mit Garegin Hambardzumyan von der Armenisch-Apostolischen Kirche und Leiter der Ökumeneabteilung in Etschmiadsin, der betonte, dass „es wichtiger ist, als unterschiedliche Konfessionen die Gemeinsamkeiten zu betonen als die Unterschiede.“ Ferner wies er darauf hin, dass Kirche die über Jahrhunderte der Bedrohung und Verfolgung den Zusammenhalt des armenischen Volkes garantiert hat.

Zu den eindrucksvollen Erlebnissen gehörte auch eine gemeinsame Abendmahlsfeier mit Blick auf den Berg Ararat sowie sich die schwindelerregenden Serpentinen hochzuschrauben, „um schließlich das romantisch gelegene Kloster Tatev zu erreichen.“ Ebenso Andachten an Klöstern mit Blick auf Schluchten und den riesigen Sewansee, der dreimal so groß ist wie der Bodensee.

„Wie soll man die vielen atemberaubenden Eindrücke von Klöstern und Landschaften, das ganze Wissen, die Begegnungen, die Geschichte, die aktuelle politische Situation nur in Worte fassen?“, brachte ein Teilnehmer seine Eindrücke, wohl stellvertretend für alle Studienreisenden, auf den Punkt. „Mein Blick auf das Land und die Konfliktherde die Region haben sich nach dieser Reise komplett verändert“, sagt Heike Beck nachdenklich.

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