Update aus Badacin
„Corona“ hat auch in Badacin seine Spuren hinterlassen, jedoch hatten fast alle Menschen, die sich mit dem Virus infiziert hatten, nur leichte Symptome, schreibt Peter Illyes, der als Gärtner im Gartenbauprojekt des Kinderheims arbeitet.
In zwei Folientunneln konnte Ende des Jahres Spinat gesät werden, der ziemlich gute Fortschritte mache, berichtet Illyes, der selbst an Corona erkrankte und deshalb die Pflege der Kulturen zeitweise nicht begleiten konnte. Vor allem den Garten hat er während der Quarantänezeit sehr vermisst.
Alles sei deshalb später gesät worden als üblich. "Aber wir hatten schon deutlich schlimmere Zeiten", sagt er dankbar. Dennoch sei die Zeit, gerade für die Bewohner recht schwierig, da sie kaum ihre Häuser verlassen könnten. Noch warte man auf eine Lieferung Frühlingszwiebeln. Mangold und andere Saaten seien reichlich vorhanden, schreibt er dem Ehepaar von Hentig Anfang Dezember.
Bereits im Frühjahr 2020 wurde ein Folientunnel erneuert und erweitert. In vier Tunneln werden Tomaten gezogen, in einem anderen Gurken. Ferner werden Zwiebeln, Bohnen, Salat, Zucchini und Kürbis angepflanzt.
(Stand Dezember 2020)
Wie alles begann: Das Gartenbauprojekt in Badacin
Von der absoluten Verwahrlosung hin zur leistungsfähigen Selbstversorgereinrichtung
Am 1. September 1990 wurde das erste Rumanienprojekt "Badacin" vom Evangelischen Dekanat Bad Schwalbach gestartet. Ausgelöst wurde das Vorhaben durch die entsetzliche Situation behinderter Kinder in Badacin, die Pfarrer Hanns-Ulrich Becker bei seiner ersten Rumänienreise vorfand. Von Anfang an unterstützte der in Rumänien geborene Bad Schwalbacher Arzt Dr. Marcel Blonder das Projekt äußerst hilfreich.
Ein Jahr nach dem Umsturz in Rumänien nahm Becker in einem Heim für 118 behinderte Kinder und Jugendliche, unmenschlichen Zustände in Augenschein. Das in einem ehemaligen Gutshaus äußerst beengt untergebrachte Heim im Nordwesten des Landes, am Rande des kleinen Bauerndorfs Badacin, etwa 4 km von der Kleinstadt Simleu Silvanei entfernt, war in dieser Zeit typisch für viele weitere ähnliche Einrichtungen mit insgesamt etwa 140.000 Kindern und Jugendlichen.
Nach ersten Hilfstransporten und dringenden Reparaturen durch Freiwillige, wurden in den folgenden Jahren, dank vieler Geldspenden fünf Holzhäuser rumänischer Bauart errichtet, in die 1996 je 25 Kinder bzw. Jugendliche einzogen.
Daneben gibt es eine Küche, eine Wäscherei, einen Webstuhl, die Tischlerei und Viehhaltung.
Kinder aßen aus Mangel Gras
Im Jahr 1996 erfolgte der Beginn eines "Gartenbauprojekts". Grund dafür war einmal die Notwendigkeit die völlig unzureichende und einseitige Ernährung der Kinder und Jugendlichen im Badaciner Heim aufzubessern. Sie hatten aus Mangel an Frischem bis dahin sogar Gras gegessen. Zum anderen existierten auf dem Gelände des Heims bereits zwei kleine Glasgewächshäuser. Eines davon stammte aus dem Rheingau, wo eine Gärtnerei aufgegeben hatte. Nach dessen Reparatur wurde mit dem ersten Anbau von Gemüse begonnen. Unter fachlicher Leitung des Rüdesheimer Ehepaars Ingrid und W.- U.von Hentig (die seitdem wenn möglich jährlich vor Ort sind) erfolgte die Schulung einiger der damals etwa 60 erwachsenen Hilfskräfte sowie von 10 arbeitsfähigen Jugendlichen in gärtnerischen Tätigkeiten, wie Aussäen, Pikieren, Topfen, Vorbereiten der Beete, Auspflanzen, Pflege- und Erntearbeiten usw.
Leistungsfähige Gemüsegärtnerei
Im Laufe von 10 Jahren entstand so eine leistungsfähige Gemüsegärtnerei, die derzeit (2012) jährlich von etwa 20 Gemüsearten bis zu 8000 kg Erntegut produziert. Damit kann praktisch der Frischgemüsebedarf der heute 125 behinderten Jugendlichen und 65 Mitarbeiter abgedeckt werden. Lediglich Kartoffeln und Kohl müssen noch zugekauft werden.
Die Gärtnerei verfügt heute über 5 jeweils 240 m2 große Folientunnel. Die geschützte Anbaufläche einschließlich der beiden genannten Glasgewächshäuser beträgt insgesamt 1400 m2. Dazu wird noch auf etwa 3000 m2 Freilandflächen angebaut.
Vier erwachsene Mitarbeiter und bis zu 20 Jugendliche (größtenteils inzwischen auch erwachsen) pflegen z.T. selbstverantwortlich die Kulturen. Über die Produktion des so notwendigen Frischgemüses hinaus entstanden Arbeits- und Ausbildungsplätze, dient die Gärtnerei der Therapie und erlangte in der Region und darüber hinaus einen Beispielsstatus.
(Stand Ende 2012)
...und wie ging es dann weiter?
Die Produktion von Frischgemüse lief auch in den letzten fünf Jahren fast problemlos weiter. Die Hilfestellung von deutscher Seite konnte sich dabei mehr und mehr auf die Beratung und die Beschaffung notwendigen Saatguts sowie von Geräten, Kleinmaschinen und Reparaturmaterial beschränken. Dabei handelte es sich um jetzt auch in Rumänien erhältliche Posten, jedoch meist mit für unsere Partner unerschwinglichen Kosten. Hier half dann die "Rumänienhilfe des Dekanats" mit Spendenmitteln.
Im Mai 2016 ereilte die Region um Badacin ein schweres Unwetter begleitet von Hagelschlag mit z.T. Tischtennisball großen Hagelkörnern. Beide Glasgewächshäuser wurden schwer beschädigt, während die Folientunnel mit vielen Kratzern aber keinen Lochschäden davon kamen. Hier hatte ein gleichzeitiger Starkwind dazu beigetragen, dass die Hagelkörner schräg auf die Folienflächen auftrafen. Es bewährte sich, dass bei der Beschaffung eine sehr stabile allerdings auch teure französische Folie vorgezogen worden war. Das kleine Glasgewächshaus, das für die Anzucht von Jungpflanzen unentbehrlich ist, konnte schnell repariert werden. Für das Größere steht die Wiederherstellung noch aus.
Ein wesentliches Ereignis für das Heim war die Eröffnung einer zweiten Wohneinheit in Nusfalau, etwa 10 km westlich von Badacin. Es handelt sich um ein mehrstöckiges in gutem Zustand befindliches Gebäude, das vom rumänischen Staat angekauft und der Leitung von Badacin unterstellt wurde. Es konnte eine Anzahl inzwischen selbständiger junger Bewohner des Heims in Badacin unter der Devise "Beschütztes Wohnen" einziehen. Damit war die inzwischen dort eingetretene Raumnot vorerst beseitigt. Auf eigene Initiative wurde auf dem außer Rasenflächen zur Verfügung stehenden Freigelände nach dem Vorbild von Badacin mit dem Anbau von Frischgemüse begonnen. Eine notwendige Voranzucht von Jungpflanzen übernimmt weiter die Gärtnerei in Badacin. Auch der Aufbau von ein oder zwei Folientunnels wird überlegt. Man hofft dabei auf Hilfe von außen, z.B. die Rumänienhilfe des Dekanats.
Verbesserte Lebensqualität
Zunehmend war in den letzten Jahren immer wieder die mangelnde Freizeitgestaltung ein Thema. Bereits bei allen Besuchen war aufgefallen, dass die Bewohner des Heims nach Feierabend nicht viel mit sich anfangen konnten. Dazu waren auch die Möglichkeiten zu gering. Zwar existierte ein Raum mit TV-Apparat, waren mehrere Radiogeräte vorhanden, konnten Handarbeiten unter Anleitung stattfinden, gab es Dank der Spende einer Bad Schwalbacher Schulklasse auch schon einen eingerichteten Raum für Tischtennis. Doch das alles reichte bei weitem nicht aus! So reifte der Gedanke außer für Arbeit, Ausbildung und Gesundheit durch das selbst produzierte Frischgemüse auch für mehr Abwechslung während der Freizeit etwas zu tun, mit anderen Worten die Lebensqualität allgemein zu verbessern. Da kam die Idee gerade recht, anlässlich eines privaten runden Geburtstags im April 2016 statt Geschenken um Spenden für den speziellen Zweck "Freizeit" zu bitten. Diese bis dahin einmalige Aktion erbrachte mehr als 1.500,-EUR. Dafür wurden dann für beide Heime in großer Übereinstimmung mit den rumänischen Partnern zwei große Trampoline, zwei selbst zusammen setzbare Hollywoodschaukeln sowie Zubehör zu Basketball, Volleyball und Ergänzungen zur Tischtennisanlage gekauft. Die Freizeit ist seitdem vielseitiger und die Freude an den genannten Sport-und Spielgeräten groß. Wir lernten daraus, dass besonders ein langfristiges Hilfsprojekt außer dem Materiellen auch zur allgemeinen Steigerung der Lebensqualität beitragen kann, also wenn irgend möglich die menschliche Zuwendung nicht vergessen darf.
(Stand Januar 2018)
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