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Eine Ära geht zu Ende

Propsteikantor Martin Lutz verabschiedet sich in den Ruhestand

Andrea WagenknechtPortraitMartin Lutz beim Empfang.

Mit einer gigantischen Aufführung aller sechs Teile von Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratoriums hat sich der Kirchenmusiker und Leiter der Schiersteiner Kantorei, Professor Martin Lutz, in den Ruhestand verabschiedet.

Andrea WagenknechtLutz am dirigentenpultMartin Lutz nach seinem letzten Weihnachtsoratorim in der Wiesbadener Marktkirche.

Mehr als 1000 Menschen waren zu dem dreistündigen Konzert in die Wiesbadener Marktkirche gekommen, darunter viel Prominenz aus der kirchlichen Musikszene, der EKHN und der Stadt Wiesbaden. Mit großer Begeisterung und Bravo-Rufen jubelten die Zuschauer dem 67-Jährigen am Ende des Konzertes zu und verneigten sich damit auch vor seinem Lebenswerk: 45 Jahre war Lutz Kantor in Schierstein, der dienstälteste Kirchenmusiker in der EKHN.

1972, mit gerade mal 22 Jahren, hat Lutz an der Christophoruskirche als Kirchenmusiker begonnen. Er hatte damals einfach einen Zettel mit der Stellenausschreibung vom Schwarzen Brett an der Heidelberger Musikhochschule abgerissen, sich beworben und die Stelle bekommen. Elf Jahre später wurde er Propsteikantor für Süd-Nassau. Jetzt übergibt er zum 1. Januar 2018 an seinen Nachfolger Clemens Bosselmann. Der 1985 in Dresden geborene Kirchenmusiker ist derzeit Kantor im Kirchenkreis Naumburg-Zeitz.

 

45 Jahre Martin Lutz in Wiesbaden

Beim Abschieds-Empfang nach dem Weihnachtsoratorium kamen zahlreiche Weggefährten, Freunde, Familie und Kollegen sowie die gesamte Schiersteiner Kantorei im Haus an der Marktkirche zusammen, um dem profilierten Musiker zu danken. Der Wiesbadener Dekan Martin Mencke erklärte zur Begrüßung: „45 Jahre Martin Lutz in Wiesbaden. In Wiesbaden Schierstein. Ein Lebenswerk. Eine Wachstumsgeschichte. Ein mittelständischer Betrieb ist daraus gewachsen. Schiersteiner Kantorei, Bachwochen, Bachvespern, Musikherbst Wiesbaden, Vespermusiken, und, und, und.“ Und Mencke versprach: „Wir werden versuchen, deinem Werk dankbar zu entsprechen, indem wir auf es aufbauen und es weiter gestalten wollen, damit es weiter wachse - zur Ehre Gottes allein.“

Die EKHN-Kirchenmusikdirektorin Christa Kirschbaum erinnerte sich, dass sie bereits als Schülerin Martin Lutz Konzertprogramme gesammelt habe: „Sie haben damals mit so ausführlichen Programmheften Maßstäbe gesetzt. Das war in der 70er-Jahren noch nicht so üblich.“ Darüber hinaus dankte sie für 45 Jahre Treue und für unzählige Sitzungen im Kantorenkonvent in Frankfurt, bei denen sie Martin Lutz stets als einen freundlichen, sehr engagierten und begeisterten Kollegen erlebt hatte, der, wenn ihm was nicht passte, auch mal sehr energisch werden konnte.

 

„Die musikalische Landschaft in Wiesbaden ist etwas Besonderes”

Lutz selbst appellierte an die Verantwortlichen in der EKHN im Hinblick auf den Stellenplan der Kirchenmusik: „Wiesbaden kann man nicht einfach ausrechnen. Die musikalische Landschaft in Wiesbaden ist etwas Besonderes. Sie lebt. Bewahrt sie - in gesunder Konkurrenz.“

Dass es Martin Lutz immer darum gegangen sei, Glaube in Klang zu übersetzen – davon ist Dekanatskollege und Bergkirchenkantor Christian Pfeifer überzeugt. In seiner Dankesrede hob er hervor, dass sich Lutz nicht nur den großen Musikern und Solisten zugewandt habe: „Du warst dir nie zu schade, dich auch mit den vielen nebenamtlichen Kollegen intensiv zu beschäftigen und du warst ihnen genauso zugewandt. Wir werden dich vermissen.“

 

Die musikalische Landschaft in Wiesbaden maßgeblich mitgeprägt

Martin Lutz ist in den vergangenen vier Jahrzehnten etwas Erstaunliches gelungen: Er hat die kleine Vorort-Kirche in Schierstein zu einem kirchenmusikalischen Zentrum mit großer Strahlkraft entwickelt und damit die musikalische Landschaft in Wiesbaden maßgeblich mitgeprägt. So ist heute nicht nur die Schiersteiner Kantorei zu einem der profiliertesten Vokalensembles im Rhein-Main-Gebiet geworden, Lutz ist auch Begründer und künstlerischer Leiter der Wiesbadener Bachwochen, hat das Festival „Musikherbst Wiesbaden“ ins Leben gerufen, und auf seine Initiative hin ist der Internationale Orgelwettbewerb entstanden. Der 67-Jährige hat sich auch überregional einen Namen als Dirigent, Cembalist und Spezialist für historisch informierte Aufführungspraxis gemacht. Er hatte mehrere Lehraufträge an der Musikhochschule Frankfurt und der Universität Mainz, dort ist er seit 2009 auch als Honorarprofessor tätig. Für sein Engagement erhielt Lutz zahlreiche Auszeichnungen, im Jahr 2008 die Goethe-Plakette – die höchste Kulturauszeichnung des Landes Hessen.

Mit seinem Frankfurter Kollegen Michael Graf Münster führt Lutz zyklisch die Bach-Vespern aller Kirchenkantaten Johann Sebastian Bachs auf: am ersten Samstag eines Monats in St. Katharinen in Frankfurt, am Tag darauf in Wiesbaden. Weltweit einmalig ist dieser Zyklus in seiner Doppelform: zuerst ein in die Musik einführendes Gesprächskonzert, dann ein Gottesdienst mit der Kantate im Mittelpunkt.

Dass er diese besondere Reihe nun nicht mehr zu Ende führen kann, findet er schade: „Das hätte ich einfach gerne noch abgeschlossen. Aber so ist es jetzt nun mal.“ Ansonsten blickt Lutz mit tiefer Dankbarkeit zurück: „Das klingt so pathetisch, aber genauso ist mein Gefühl. Es war einfach ein sehr großes Privileg über all die Jahre hier zu arbeiten, zu gestalten und bestimmen zu können, wohin es geht.“

 

In der Musikszene klug vernetzt 

Dass hinter seiner musikalischen Erfolgsgeschichte harte Arbeit steckt, liegt auf der Hand. Und damit ist nicht nur die gesamte Organisation rund um die Konzerte gemeint – sämtliche Drucksachen, von Flyern und Plakaten über Programme und CD-Booklets, macht Martin Lutz selbst – nein, es ist auch seine Gabe, sich in der Musikszene klug zu vernetzen, Menschen zu begeistern und sein Geschick, mit Sängerinnen und Sängern am Klang intensiv zu arbeiten.

Als Lutz die Schiersteiner Kantorei 1972 übernahm, hatte der Chor 40 Sängerinnen und Sänger – heute sind es mehr als 120. Die meisten kamen wegen ihm. Ursprünglich hat ihn zwar die Orgel zur Kirchenmusik gebracht, doch seine Leidenschaft gehört der Chorarbeit. Und der Erfolg gibt ihm Recht. Die meisten Konzerte der Schiersteiner Kantorei sind ausverkauft, die Besucher kommen aus dem gesamten Rhein-Main-Gebiet und darüber hinaus. Schon seit 1976 werden die großen Chorkonzerte der Kantorei in der sehr viel größeren Marktkirche veranstaltet, für die „Weihnachtsmusik bei Kerzenschein“ in der Christophoruskirche lassen sich Besucher oft schon ein Jahr im Voraus Karten reservieren.

Dass sich so viele Menschen von der Musik angezogen fühlen, liegt für Lutz im Wesen der Kirchenmusik begründet: „Es geht nicht nur um richtige Töne und saubere Klänge. Unser Musizieren muss einen Geist haben – deswegen klingt es glaubwürdiger. Das merken die Menschen. Wir erzählen von etwas, unsere Musik kann etwas von diesem Unbeschreiblichen, was man auch Transzendenz nennen kann, mitteilen.“

Dass er mehr als vier Jahrzehnte in Schierstein geblieben ist, hängt auch mit der kleinen Christophoruskirche zusammen. „Dieser Kirchenraum, der macht etwas mit einem“, davon ist Martin Lutz überzeugt. „Bei Konzerten ist man den Menschen hier sehr nah – das ist etwas sehr Besonderes. Diese Kirche ist eine Pracht ohne Prunk.“

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