Wahl zum Amt des Kirchenpräsidenten
Henriette Crüwell - Kandidatin für das Amt der Kirchenpräsidentin der EKHN: Worauf kommt es ihr an?
© EKHNHenriette Crüwell, Pröpstin für Rheinhessen und Nassauer Land10.06.2024 pwb Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
veröffentlicht 29.05.2024
von Caroline Schröder, Online-Redaktion der EKHN
Henriette Crüwell, Theologin und Rechtswissenschaftlerin, ist eine der drei Kandidierenden für das Amt der Kirchenpräsidentin oder des Kirchenpräsidenten der EKHN. Aktuell ist sie Pröpstin für die Propstei Rheinhessen und Nassauer Land. In einem Interview mit der Öffentlichkeitsarbeit der EKHN spricht sie über ihre Beweggründe, Herausforderungen und Ziele.
Was hat Sie dazu motiviert, sich für das Amt der Kirchenpräsidentin zu bewerben? Welche Vision haben Sie für die Zukunft der Kirche?
Henriette Crüwell: Warum und wozu sind wir Kirche? Dieses „Wozu“ möchte ich gemeinsam herausarbeiten, damit es uns in den Strukturdebatten leitet, mit denen wir uns in der Kirche sowie in der Gesellschaft gerade intensiv beschäftigen.
Ich habe einen klaren Vorschlag für solch ein „Wozu“: Ich glaube an Gottes Wohlwollen und Liebe in der Tiefe unserer Existenz und an sein Wirken auch in unserer Welt. Ich bin seit 18 Jahren aus Leidenschaft Pfarrerin und seit zwei Jahren Pröpstin, um andere in diesem Glauben zu stärken und sie in den Widersprüchen und Unsicherheiten des Lebens zu begleiten. Ich erlebe in der Kirche wie in der Gesellschaft gerade viel Müdigkeit und Erschöpfung, aber zugleich an allen Orten Menschen, die mit Herz und viel Kreativität den Segen Gottes weitergeben: in den Gemeinden, in Schuldnerberatungen, in Seniorenheimen und anderen diakonischen Einrichtungen, in der Fußgängerzone, in den klassischen und den sozialen Medien und an den ungewöhnlichsten Orten.
Dabei begegne ich vielen beeindruckenden Menschen an der Basis und habe großes Zutrauen in sie. Ihre Initiativen möchte ich so gut ich kann stärken, verstärken und besser sichtbar machen. Ich will Menschen ermutigen, vieles einfach mal auszuprobieren und mit Ihnen immer wieder gemeinsam fragen: Wie machen wir’s möglich? Das ist meine Haltung, die ich im Amt der Kirchenpräsidentin für die ganze EKHN fruchtbar machen möchte.
Meine Vision für die Zukunft der Kirche ist: Eine Kirche der Menschen, in der alle willkommen sind. Eine bunte, fröhliche und lebensnahe Kirche auch als Minderheit in einer pluralen und individualisierten Gesellschaft, die zum Evangelium steht. Eine Kirche, die sich hinauswagt und sich riskiert, um an den Themen und Fragen dran zu bleiben, die unsere Gesellschaft umtreiben. Eine im besten Sinne diakonische Kirche, die Menschen dient, die dazwischen geht und sich entschieden an die Seite jener stellt, deren Stimme nicht gehört wird. Ich träume von einer Kirche, die erfrischend anders ist. Und ich erlebe sie schon heute an vielen Stellen.
Welche Erfahrungen haben Sie besonders geprägt, und wie haben sie Ihren Glauben beeinflusst?
Henriette Crüwell: Die prägendste Erfahrung in meinem Leben waren die Geburten meiner Kinder. Ich habe da existenziell erfahren, wie sehr wir Menschen miteinander verbunden sind. Wir leben für- und voneinander! Diese existenzielle Erfahrung hat auch meinen Glauben an einen menschenfreundlichen Gott geprägt, in dem wir leben und sind. Und das ist ja auch die große Herausforderung, vor der wir als Menschheit heute stehen: Uns in dieser Verbundenheit mit allem Leben auf der Erde neu zu begreifen.
Wie so viele andere auch hatte ich mit Anfang 40, also in der so genannten „Rushhour des Lebens“ ein Burnout. Damals habe ich die Erfahrung gemacht, wie sehr der Glauben mich trägt, gerade als ich dachte, dass gar nichts mehr geht. Seitdem begegne ich menschlichen Grenzen gnädiger – meinen eigenen und auch den Grenzen anderer.
Vor welchen Herausforderungen steht die EKHN Ihrer Meinung nach? Was würden Sie tun, um ihnen zu begegnen?
Henriette Crüwell: Wir müssen uns vor allem neu darüber verständigen, warum und wozu wir Kirche sind und was das Evangelium für unsere Zeit bedeutet. Vor dieser Herausforderung stehen wir als Christen seit Anfang an. Das ist die eigentliche Herausforderung in all den Themen, die uns als EKHN gerade beschäftigen. Ich sehe die Aufgabe der Kirchenpräsidentin darin, diesen Verständigungsprozess zu fördern und zu guten Ergebnissen zu führen. Die Synodalität unserer Kirche, das Priestertum aller Gläubigen gilt es dabei zu stärken. Damit meine ich, dass wir Austausch und gemeinsames Entscheiden auf allen Ebenen ermöglichen, das ist mir ein wichtiges Anliegen.
Gemeinsam müssen wir herausfinden, wie wir auch als Minderheit in einer pluralen und individualisierten Gesellschaft weiterhin Volkskirche, also Kirche der Menschen, sein können und wollen. In diesem Transformationsprozess befinden wir uns ja schon länger. Er verlangt uns allen sehr viel ab. Dieses große Engagement zu sehen, dankbar zu würdigen und zu unterstützen sehe ich auch als Aufgabe in diesem Amt.
Ich erlebe uns da im Moment wie auf hoher See. Wir haben den sicheren Hafen verlassen, sehen ihn nicht mehr. Und das Ziel, wohin wir unterwegs sind, ist noch nicht in Sichtweite. Nur Wellen und Wolken, soweit das Auge reicht. Das ist schwer auszuhalten. Aber wir müssen jetzt gemeinsam den richtigen Kurs finden, indem wir uns immer wieder darum bemühen eine lernende Kirche zu sein und zu bleiben, die hört, sieht, ausprobiert und immer wieder fragt: Wo will Gott uns haben? Und was wollen die Menschen von uns? Dafür brauchen wir das Wohlwollen füreinander, dass alle an ihrem Platz mit Herzblut und mit viel guten Willen dabei sind. Darum will ich mich als Kirchenpräsidentin ganz besonders kümmern.
Dafür gibt es in unserer Kirche viele konkrete Bereiche. Einen will ich nennen, weil er so schmerzlich ist und keinesfalls hintanstehen darf: Den Betroffenen von sexualisierter Gewalt müssen wir nicht nur zuhören, sondern sie als Autorität ernst nehmen für die Frage, wie wir eine Kirche werden, die ohne Dunkelorte für das Evangelium von der Menschenfreundlichkeit Gottes steht.
Welche Eigenschaften schätzen Sie an anderen Menschen besonders und warum?
Henriette Crüwell: In meiner Gemeinde in Offenbach gab es eine Frau, die es verstand so zu loben, dass man innerlich fünf Zentimeter größer und fröhlicher weiterzog. Wie sie das machte? Sie war ganz Ohr, sie schaute genau hin, bemerkte die kleine Brosche am Kragen oder ein gut gewähltes Wort, über das sie sich freute wie über eine seltene Blume. Sie investierte sich selbst! Ich mag Menschen, die wie diese alte Dame großzügig sind mit sich und mit anderen, die gönnen können und die anderen mit Wohlwollen und menschlicher Wärme begegnen. Sie machen die Welt, wo sie sind, heller und schöner.
Welches Geräusch oder welchen Geruch verbinden Sie mit einem glücklichen Moment – und welcher war das?
Henriette Crüwell: Mein Mann und ich waren über den Maifeiertag bei unserem neugeborenen Enkel. Als frischgebackene Großeltern haben wir den Kinderwagen stolz durch die Parks der Stadt geschoben. Es war einer der ersten schönen Sonnentage. In der Luft lag dieser ganz besondere Geruch des Sommers nach frischem Gras, Sonnenmilch und Grillkohle. Ich liebe diesen Geruch. Er erinnert mich an die Sommerferien meiner Kindheit im Garten meiner Großeltern, an verrückte Jugendfreizeiten am Bodensee, an sonnendurchglühte Stunden im Schwimmbad mit meinen Kindern, Eis und Pommes, sowie mittendrin an das Gefühl von Glück und einem tiefen Einverständnis in das Leben.
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