Hanns-Urlich Becker geht in Ruhestand
Gemeindepfarrer mit weitem Blick über den eigenen Kirchturm hinaus
(c) Dekanat / H.-U. BeckerPfarrer Hanns-Ulrich Becker12.04.2021 cw Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
(c) Dekanat / M. SkorskiPfarrer Hanns-Ulrich Becker geht in den RuhestandBereits im Gemeindebrief Juni 2020 begann Becker seinen „Jahrzehnte-Rückblick“. Der Titel lautete: „Aus dem Schwalbacher Tal in die weite Welt.“ Sehr passend, wenn man das enorme Engagement des 65-jährigen betrachtet. Sein Beginn war jedoch „holprig“, wie er selbst zugibt. Im rotkarierten Holzfällerhemd, mit schulterlangen Haaren und langem Vollbart erschien sein Foto im Aar Boten. Im damaligen Pfarrhaus waren neben seiner Wohnung auch das Gemeindebüro, die Gemeindebücherei sowie das Zimmer der Schwesternstation untergebracht, erinnert sich Becker. Im Keller befand sich die Druckerei der Dekanatsjugend und im Dachgeschoss traf sich der Bastelkreis der Frauen. „Und zwischendrin wohnte ich“, sagt er schmunzelnd. Jeder bekam mit wann er kam und ging und kommentierte das auch. „Und da damals noch kein Rauchverbot in den Gemeinderäumen herrschte, zog der Qualm durch die dünnen Türen meiner Wohnung hinein. Da brauchte es schon Humor und Durchhaltevermögen“, resümiert Becker, der bis heute beides behalten hat.
Um die Jahrtausendwende initiierte Hanns-Ulrich Becker eines der ersten Projekte in der EKHN zur Umstrukturierung des Gebäudebestands. Gemeinsam mit der Kirchengemeinde entwickelte man ein inhaltliches Konzept. Als Konsequenz daraus wurden die Pfarrhäuser, das Gemeindehaus und das Diakonissenhaus verkauft. Das Modellprojekt in der EKHN „Kirche unter einem Dach“ fand 2008 seine Vollendung mit der künstlerischen Neugestaltung des Altarraumes.
Rumänienprojekt ins Leben gerufen
Über die Grenzen hinaus ging auch das Engagement von Hanns-Ulrich Becker, als er das Rumänienprojekt ins Leben rief. Die unerträglichen Bilder der Lebensumstände von Kindern in rumänischen Heimen gingen in den späten 80er Jahren um die Welt. Hanns-Ulrich Becker beschloss mit „engagierten Menschen aus der Region eine Hilfsaktion für Heimkinder“ zu starten. „Zuvor hatte Pastor Vogel aus unserer DDR-Partnergemeinde Mehmke einen Hilfstransport organisiert. Ich durfte ihn begleiten und war erschüttert von dem Elend der Kinder. Nach meiner Rückkehr konnte ich nicht einfach zur Tagesordnung übergehen“, erklärte er. Und so wurde das Dekanatsprojekt Badacin aus der Taufe gehoben. Von 1990-98 wurde aus dem „Haus des Schreckens“ die „Arche Badacin“: ein kleines Kinderdorf mit familienähnlichem Wohnen, differenzierten Therapiekonzepten und einem Gartenbauprojekt das später das Ehepaar von Hentig aus Rüdesheim federführend übernahm. Badacin war und ist bis heute ein Modellprojekt in Rumänien.
Die Kirchenmusik lag Becker ebenfalls sehr am Herzen. Er organisierte Orgelfahrten und engagierte sich beim Kauf und der Restaurierung der historischen Stumm-Orgel für die Martin-Luther-Kirche.
Demenzfreundliche Kommune und erste Stolpersteine im Kreis
Die Projekte, die Becker umsetzte sind zahlreich und viele heute noch sichtbar. Etwa die AGAPE Stiftung und sein Einsatz für eine „demenzfreundliche Kommune“. Becker gründete 2000 einen runden „Tisch für sozialen Fragen in Bad Schwalbach“, der sich bis heute trifft, um sich um soziale Fragen in der Stadt zu kümmern.
Die Erforschung der Geschichte der Juden in Bad Schwalbach und die Verlegung der ersten Stolpersteine im Rheingau-Taunus-Kreis waren ihm als Projekt der örtlichen Ökumene wichtig.
Spiritualität, Studienreisen und Meditationsraum
Der Seelsorger Hanns-Ulrich Becker beschäftigte sich schon früh mit christlicher Spiritualität und bot mit Kollegen Kurse zu "Exerzitien im Alltag" an". Ein sichtbares Zeichen ist der Meditationsraum im Bad Schwalbacher Gemeindezentrum, „für den uns vielen andere Kirchengemeinden beneiden. Ich bin sehr froh darüber, dass wir uns in Bad Schwalbach so früh damit beschäftigt und Angebote gemacht haben“, so Becker.
Studienreisen führten ihn auf die Spuren Moses, Jesu und des Apostels Paulus nach Ägypten und zum Sinai, nach Israel, Jordanien und in die Türkei. Beckers Anliegen war, mit unterschiedlichsten Menschen die Botschaft der Bibel als Kraftquelle und Orientierung für das eigene Leben zu entdecken. Das galt auch für die Kinder-Bibel-Tage oder des seit 1986 stattfindenden „Bibelseminars“ Für ihn selbst seien die Impulse aus der Theologie Dietrich Bonhoeffers immer wieder wegweisend gewesen.
Bei allen weltoffenen Projekten und Engagement betont Hanns-Ulrich Becker, dass Gemeindepfarrer zu sein, „genau mein Ding ist.“ Es sei ein Privileg, mit so vielen unterschiedlichen Menschen zusammenarbeiten zu dürfen und so viele unterschiedlichen Milieus und Generationen zu begegnen, sagt er rückblickend. Ob Konfirmandinnen und Konfirmanden, Jugendliche, junge Erwachsene oder ältere Menschen. Die Zusammenarbeit stehe für ihn dabei an oberster Stelle: „Gemeindearbeit geling nur mit Menschen, die sagen: das ist mir wichtig. Nur zusammen kann man heute Gemeinde und Kirche leben“, ist er überzeugt. Dabei war ihm stets wichtig, die Botschaft Gottes in einer verständlichen Sprache zu sprechen. So gehörte er zum Redaktionskreis „Um Gottes Willen“, der in einer Tageszeitung Feiertage verständlich und anschaulich erklärte.
Am 25. April wird Hanns-Ulrich Becker von Propst Oliver Albrecht in den Ruhestand verabschiedet. Becker freut sich darauf, nach Mainz zu ziehen und dann auch mehr Zeit mit seiner Frau verbringen zu können. Und er möchte sich Zeit nehmen für seine eigene Familiengeschichte. Denn sowohl sein Vater (Pfarrer Christian Becker aus Bornich) als auch Urahnen von ihm seien Pfarrer gewesen. Der älteste war vermutlich David Caesar, der einst in Wittenberg bei Martin Luther und Philipp Melanchton studiert hat.
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