Familie wird weiter begleitet
„Uns geht es gar nicht gut“: Prozess zum Tod von Leo an Gleis 7 beginnt
Peter BerneckerVor einem Jahr: Menschen legen Blumen für den kleinen Leo am Gleis 7 im Frankfurter Hauptbahnhof ab.19.08.2020 vr Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Joachim Storch / EKHNGedenkgottesdienst: Auch Ministerpräsident Bouffier hielt eine Fürbitte (2.v.r.). Von links: die evangelische Pfarrerin Jennifer Koch, der katholische Pfarrer Stefan Peter, Propst Oliver Albrecht, Ministerpräsident Volker Boffier, Glashüttens Bürgermeisterin Brigitte Bannenberg.Vor fast genau einem Jahr nahmen Familie, Freunde, Nachbarn und Bekannte in einer bewegenden Trauerfeier Abschied von Leo. Der Achtjährige war am 29. Juli 2019 am Frankfurter Hauptbahnhof vor einen einfahrenden Zug gestoßen und dabei an Gleis 7 getötet worden. Leos Mutter und eine weitere Frau wurden ebenfalls ins Gleisbett gestoßen und dabei teils schwer verletzt.
Tat am Hauptbahnhof bleibt unfassbar
Damals sagte der Propst für Rhein-Main, Oliver Albrecht, in seiner Traueransprache, wie wichtig es angesichts der Sprachlosigkeit sei, „zusammenzuhalten, zu beten und zu weinen, zu singen und zu klagen, uns an den Händen zu nehmen und in die Augen zu schauen“. Das Ereignis bleibe „für immer schrecklich und unfassbar.“ Und weiter: „Wie kann da der Glaube helfen? Was kann uns trösten? Der Glaube nimmt uns nicht den Schmerz. Aber er hilft vielleicht, mit ihm zu leben.“
Prozess gegen mutmaßlichen Täter ist eröffnet
Fast auf den Tag genau ein Jahr später hat am Mittwoch in Frankfurt der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter begonnen. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft litt er bereits damals unter schweren psychischen Erkrankungen. Sie hatte deshalb statt einer Anklage bereits im Vorfeld den Antrag gestellt, den Beschuldigten, der selbst Vater von drei Kindern ist, dauerhaft in einer Psychiatrie unterzubringen.
Familie von Leo geht an Öffentlichkeit
Ganz unabhängig vom Blick auf den Angeklagten und den Prozess bleibt der Schicksaalschlag vom vergangenen Jahr für Leos Familie allgegenwärtig. „Seit dem tragischen Verlust unseres kleinen Sohns und Bruders geht es uns nicht gut, in den vergangenen Monaten stand einzig die Erinnerung und Trauer um unseren kleinen Leo im Vordergrund“, schreibt sie in einer berührenden Mitteilung an die Presse. Die Familie werde weiter psychologisch und seelsorglich betreut. Und sie kritisiert die bisherigen Ermittlungen sowie die Schlussfolgerungen der Bahn zur Sicherheit an den Gleisen scharf: „Schreckliche Taten wie diese, sowie tragische Unfälle dürfen in Zukunft nicht mehr geschehen und hingenommen werden.“
Täterperspektive loslassen
Nach dem furchtbaren Geschehnis in Frankfurt ist auch für Propst Albrecht klar: „Ein Jahr nach dem schrecklichen Ereignis beginnen wir, uns wieder daran zu erinnern. Aber wer so etwas selbst erlebt hat, denkt jeden Tag daran.“ Er befürchtet, dass unter anderem die Medien zum Prozessbeginn den Blick wieder auf den Täter lenken und die Opfer vergessen. „Die Fixierung auf den Täter tut uns in diesem Fall nicht gut. Es ist besser, ihn loszulassen und in Gottes Hände zu geben. Sonst gewinnt er zu viel Macht über unser Leben.“
In Gedanken bei der Familie bleiben
Wichtiger sei es, die Gedanken zur Familie des Jungen gehen zu lassen, erklärt Albrecht. „Uns hat ihr Schicksal bewegt und erschüttert und wir waren als Kirche und in der ganzen Region für Sie da, so gut wir das konnten“. Nach Ansicht von Albrecht können „Seelsorge, Gemeinschaft und Glaube dabei helfen, die Situation zu bewältigen. Und er ist überzeugt: „Unsere Wut und Verzweiflung, dass das alles so gekommen ist, sind Gott nicht egal. Er wird in Ewigkeit daran denken.“
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