Dekanat Rheingau-Taunus

Angebote und Themen

Herzlich Willkommen! Entdecken Sie, welche Angebote des Dekanates Rheingau-Taunus zu Ihnen passen. Über das Kontaktformular sind wir offen für Ihre Anregungen.

AngeboteÜbersicht
Menümobile menu

Notre Dame

Spenden für den Wiederaufbau oder für die Armen?

(c) Dekanat / H. BeckEin Bild der Die Kathedrale Notre Dame am Tag nach dem Brand.Die Kathedrale Notre Dame am Tag nach dem Brand

Ökumenepfarrerin Heike Beck war mit ihrer Familie in Paris, als Notre Dame brannte. Sie schildert ihre Gedanken dazu und zum Wiederaufbau.

(c) Dekanat / Fotostudio9Pfarrerin Heike BeckPfarrerin Heike Beck

Von Heike Beck

Am Montag vor Ostern besuchte ich mit meiner Familie Paris, just an jenem Unglückstag des großen Brandes von Notre Dame. Ein Schritt vors Hotel genügte, um die Rauchsäule in Augenschein zu nehmen, die sich über ganz Paris gelegt hatte. Geschockt war ich, und sehr traurig. An dem Abend war nicht gleich erkennbar, ob Teile der 800 Jahre alten Kirche den Brand überhaupt überstehen oder ob nur ein rauchgeschwärzter Trümmerhaufen übrig bleiben würde.

Verantwortung nicht delegierbar

Trauer um eine historische Kirche empfinden längst nicht alle. Viele kritisieren die Unsummen, die reiche Privatleute für den Wiederaufbau gespendet haben, während für die Armen kein Geld da sei. In der Tat muss uns das nachdenklich stimmen, wenn man die Dimensionen der Spenden – fast eine Milliarde Euro innerhalb von 24 Stunden – in Betracht zieht. Doch den Erhalt eines einmaligen baulichen Kunstwerkes gegen die Bekämpfung von Armut und Umweltverschmutzung ausspielen zu wollen, scheint mir unangemessen. Dieses Scheinargument suggeriert die Annahme, einzelne Personen könnten mit einer einmaligen Spende den Hunger eines ganzen Landes oder gar Kontinents (für immer?) beseitigen oder die massive Umweltzerstörung, die täglich weltweit betrieben wird, beheben. Wenn so etwas möglich wäre, welche Auswahl würde man treffen, wem helfen und wem nicht? Eine Einzelspende rettet nicht die Welt, und die Weltverantwortung, die bei Politikern, Wirtschaftsleuten und jedem einzelnen liegt, können wir kaum an Superreiche delegieren.

Der wahre Wert eines solchen Kirchenbaus lässt sich ohnehin kaum in Zahlen ausdrücken. Die Pariser Notre Dame stellt nicht nur ein einmaliges Wunderwerk gotischer Baukunst dar. Bis heute hat die steingewordene Schönheit und Erhabenheit Menschen fasziniert, getröstet, ihrem Glauben Halt gegeben, ihnen inmitten von menschlichem Elend Hoffnung und Würde verliehen und die Schönheit widergespiegelt, die Gott in jeden Menschen gelegt hat. Sie ist ein eindrückliches Beispiel dafür, dass Kultur eine herausragende Bedeutung für eine Gesellschaft darstellt. Wieviel ärmer wäre jede Gesellschaft ohne die Leistungen ihrer jeweiligen Kultur? Deutlich wird das besonders schmerzlich an den Kultstädten, die von IS-Kämpfern mutwillig zerstört wurden wie die Altstadt von Aleppo, die Buddhastatuen von Bamyian oder viele Bauwerke in Palmyra. Hier wurde auf perfide Weise nachhaltig das kulturelle Gedächtnis der Bevölkerung zerstört und damit gleichzeitig ihre kulturelle Identität geraubt. Eine Gesellschaft braucht Kultur, braucht Monumente der Erinnerung, um sich ihrer selbst bewusst zu werden. Darüber hinaus ist die Pariser Notre Dame auch für Nicht-Franzosen und für Nicht-Christen bedeutsam. Sie stellt ein gemeinsames Erbe dar und gehört daher eben zum Weltkulturerbe: Wir alle haben die Notre Dame von den Vorvätern- und Müttern geerbt. Gleiches gilt für die genannten weltweiten Kultstätten.

Kultur hat herausragende Bedeutung für Gesellschaft 

Diese großartige Kirche können heute alle bestaunen, sich an ihr anlehnen, sich von ihrer lichtdurchfluteten Eleganz erfüllen lassen, ob sie nun Christen, Muslime oder Atheisten sind. Bei der Spendendebatte werden meines Erachtens falsche Gräben gezogen und verschiedene Anliegen unangemessen vermischt. Ja, wir müssen über Gerechtigkeit sprechen, und wir müssen dringend das Nötige zur Bewahrung der Schöpfung tun. Und ja, es ist gut, dass die Notre Dame Paris wieder aufgebaut wird - für uns alle, und mit dem Geld nicht nur einzelner Spender, sondern vieler, die diese einmalige Kirche auch für weitere Jahrhunderte erhalten wollen.

Diese Seite:Download PDFDrucken

to top