Dekanat Rheingau-Taunus

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Der Propst für Rhein-Main zur aktuellen Situation der Kirche

© Rolf OeserOliver Albrecht, Propst für Rhein-MainOliver Albrecht, Propst für Rhein-Main

Oliver Albrecht, Propst für Rhein-Main, wendet sich an alle Menschen in seiner Propstei mit einer Einschätzung zur aktuellen Situation der Kirche - besonders auch hinsichtlich des Mitgliederrückgangs.

Liebe Menschen in der Propstei Rhein-Main,

Manche meinen, die Kirche sei in einer Krise. Und vieles verändert sich tatsächlich gerade:

Die Mitgliederzahlen gehen – wenn auch nur leicht – zurück. Das liegt am demographischen Wandel, es gibt mehr Beerdigungen als Taufen in unserer Kirche. Es liegt aber auch daran, dass Menschen aus der Kirche austreten, meistens wenn der erste Gehaltszettel kommt.

Dazu möchte ich Ihnen zwei Gedanken mitteilen:

1. Kein Mensch kann „mittelalterliche“ Zustände zurückwünschen, in denen formal nahezu alle Menschen in unserem Land einer der beiden großen Kirchen angehören mussten (!). Ich begrüße es als Christ ausdrücklich, dass es möglich ist, aus der Kirche auszutreten. Denn nur so hat es eine Bedeutung, dass ein Mensch – freien Willens – der Kirche angehört.
Ich liebe spannende Diskussionen mit Menschen, die aus für sie guten Gründen nicht an Gott glauben oder einer anderen Religion angehören. Ich finde es wunderbar, in einem Land zu leben, in dem es Religionsfreiheit gibt und Staat und Kirche getrennt sind.
In diese Vielfalt bringen wir uns als evangelische Kirche selbstbewusst und fröhlich ein, mit unserem Glauben an Jesus Christus. Der gibt uns Trost und Hoffnung. In dessen Namen beziehen wir aber auch klar Position für die Liebe und den Zusammenhalt der Menschen. Wir sind sehr glücklich, nahe bei einem Gott sein zu dürfen, mit dem wir ohne Furcht leben und – später dann – auch sterben können.
Davon erzählen wir unermüdlich, das feiern wir in unseren Gottesdiensten. Aber nicht, damit Menschen Mitglied der Kirche werden, das soll jeder machen wie er will. Sondern einfach, weil wir die Freude nicht für uns behalten können.

2. Es mag sein, dass wir weniger Mitglieder haben, das geht ja vielen Organisationen, Vereinen und Gruppen so, die sich für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft einsetzen. Und gleichzeitig erscheint mir unsere Kirche lebendig wie noch nie. Das liegt für mich ganz stark an den vielen wunderbaren Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, den Menschen zur Freude und Gott zur Ehre.
Nie in den 2000 Jahren Christenheit gab es so viele Menschen in den Kirchenvorständen, die sich ohne jeden persönlichen Vorteil für ihre Kirche einsetzen, nicht nur Gottesdienste und Feste feiern, sondern auch Personalverantwortung in der Kita übernehmen oder das kaputte Kirchendach renovieren.
Nie in der Geschichte der Kirche gab es so viel und so vielfältige Musik in unserer Kirche, erklangen so viele Orgeln, sangen so viele Chöre, spielten so viele Bands, bliesen so viele Trompeten und Posaunen. In manchen Dekanaten der Propstei gibt es mehr Kirchenchöre als vor 50 Jahren in ganz Deutschland.
Und noch nie seit der Zeit der Apostel engagierten sich so viele Menschen in der Kirche diakonisch, sozial und politisch. In der Arbeit für Obdachlose und in der Bahnhofsmission, bei der Integration der Geflüchteten und in der Arbeit der Tafeln, in der Jugendsozialarbeit und im Hospizdienst, in Bürgerinitiativen und im Besuchsdienst bei alten und kranken und einsamen Menschen.
Und hinter diesen ganzen ehrenamtlich engagierten Menschen stehen die, die die Sache zu ihrem Beruf gemacht haben, aus Berufung, wie wir sagen. Die dürfen wir beim Lobe des Ehrenamtes nicht vergessen!

Ich weiß, dass es auch die schweren Zeiten gibt. Wenn aus Geld- oder Personalmangel Stellen gestrichen oder lange nicht besetzt werden. Wenn wir ein Gebäude aufgeben müssen, das uns lieb und vertraut geworden ist. Wenn wir am Sonntagmorgen in wirklich kleinerer Runde als sonst zusammen sind.
Das dürfen wir nicht schönreden. Das darf uns nicht den Schuldigen suchen lassen. Denn das treibt und auseinander.
Vor allem aber: das dürfen wir nicht mit übermenschlicher Kraft zu retten versuchen. Auf Dauer sollen wir in der Kirche, also bei Gott, nicht mehr Kraft verlieren, als wir bekommen. Es darf dann auch mal weniger sein. Denn keine Heidenangst und keine verdammte Mühe ist das, was wir ausstrahlen und verbreiten sollen. Sondern Gottgelassenheit, ruhige Fröhlichkeit, Vertrauen und Hoffnung.
Dass Sie diese Dinge immer wieder und vor allem anderen in der Kirche finden, das wünsche ich Ihnen von Herzen.

Ihr Pfarrer Oliver Albrecht
Propst für Rhein-Main

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